Sonntag, 3. November 2013

SÄA040

1. SÄA040





Da die Grundannahme dieses Antrages falsch ist, macht es Sinn zuerst darauf einzugehen. Dieses lautet:

„In den konkurierenden Anträgen zur Einführung einer Quote werden durch Quotierung eines bestimmten Geschlechtes die jeweils anderen benachteiligt.“


Um zu verstehen warum diese Annahme grundlegend falsch ist lohnt es sich festzustellen das es verschiedene Begrifflichkeiten innerhalb des Komplexes Geschlechtergleichheit gibt:

Chancengleichheit, Gleichstellung, Gleichberechtigung, Gleichheit, Gleichbehandlung, – Alles Gleich?


Wir haben es aber mit unterschiedlichen Konzepten zur Gleichstellung der Geschlechter zu tun. Relevant in diesem Fall ist aber nur der Begriff:

Gleichstellung

und über diesen ist es wichtig zu wissen:

Der Begriff der Gleichstellung grenzt sich ab gegen denjenigen der Gleichberechtigung. Während die Gleichberechtigung die juristische Gleichbehandlung zum Ziel hat, geht die Diskussion um Gleichstellung davon aus, dass die juristische Gleichbehandlung nicht automatisch zu einer faktischen Gleichbehandlung führt.

Gleichbehandlung bedeutet somit nicht automatisch Gleichstellung. Erklärtes und verpflichtendes Staatsziel* ist aber die Gleichstellung der Geschlechter.

*1994 Zusatz zu Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG

Um diese zu erreichen erfordert es die faktische Angleichung der Geschlechter in allen Lebensbereichen. Erreicht werden soll dieses Ziel mit der Beseitigung vorhandener Barrieren und Unterstützung fördernder Maßnahmen. Gleichstellung ist eben kein bestehender Gleichheitszustand, sondern die bleibende Aufgabe des Ausgleichs (Gleichstellungsarbeit).

Und nun ist es auch ein Leichtes zu verstehen: Das Maßnahmen die notwendig sind um den Gleichheitszustand von z.B. Frauen gegenüber Männern herzustellen nicht zur Benachteiligung von Männern führen sondern zur erforderlichen und verpflichtenden Gleichstellung der Frauen. Diese Parität macht eine Benachteiligung des anderen Geschlechts unmöglich. Das ganze natürlich auch umgekehrt.

Entsprechende Schnittstellen finden sich in den entsprechenden Gesetzen dem AGG Allgemeines Gleichstellungsgesetz zu nennen wäre der §5 und was die meisten nicht wissen da es eine etwas gründlichere als nur oberflächliche Auseinandersetzung mit dem Thema erfordert; Artikel 3 des Grundgesetzes der die Gleichheit aller Menschen regelt, erlaubt in der Kommentierung Ungleichbehandlung ausdrücklich, wenn dieses sachlich erforderlich ist. Und hier ist die Gleichstellung von Mann und Frau ausdrücklich erwähnt. (http://www.juraforum.de/lexikon/gleichheitsgebot-art-3-gg)

Da die Annahme der Benachteiligung falsch ist und ein nicht-akzeptabler Zustand, wie in der Begründung postuliert, nicht existiert hat dieser Antrag eigentlich keine Begründung mehr. Was eine Abstimmung darüber reichlich problematisch machen kann.


Ich werde mich trotzdem damit auseinandersetzen:

Der Antragstext gefällt mir recht gut was die Tonalität betrifft. Kein Geschwurbel und keine If-Then-Else-Thesen. Die angestrebten Verhältnisse sind schnell verinnerlicht und können ohne Abstraktion wahrgenommen werden. Sie erscheinen auf den ersten Blick gerecht, da nominell gleich. Menschen die sich allerdings einer der genannten Gruppen nicht zugehörig fühlen, werden im Antragstext nicht berücksichtigt es wird erst und nur in der Begründung Bezug auf sie genommen. Ich würde mir das anders wünschen da erst die Aufnahme und Nennung im relevanten Text ein Bekenntnis zur Gleichwertigkeit feststellt und klar das Ziel Gleichstellung signalisieren würde. Dem Anspruch Geschlechtergerechtigkeit kann das so nicht gerecht werden. Gender-Gleichstellung im Sinne und den Anforderungen von gender mainstreaming findet überhaupt nicht statt. Das Set-up macht auf mich nicht den Eindruck das diese Anforderung überhaupt in Betracht gezogen wurden.

Ganz gegen jedes Ziel in diesem Zusammenhang gerichtet ist die vorgenommene Segmentierung: Frauen – Männer – Andere. Somit führt schon das allgemeine Konzept dieses Antrags zum Gegenteil dessen was Erreicht werden muss. Das kann nicht das Ziel sein.

Schwer wiegt auch der Umstand das die Wirksamkeit bezüglich der Gleichstellungsziele nicht klar ersichtlich und durch nichts untermauert werden. Untersuchungen und Daten dazu liegen anscheinend nicht vor. Ein wie auch immer vermuteter Effekt lässt sich nicht ableiten.

In meinen Augen sicher und wahrscheinlich wird dieses Konzept zu Blockbildungen führen mit klar definierten Geschlechter-Grenzen. Statt Geschlechtergerechtigkeit wird Abgrenzung wahrscheinlich. Lagerdenken und Konkurrenzverhalten in der Folge zunehmen und jedwede Bemühungen Gleichstellung auf dies Art zu erreichen Ad Absurdum führen.

Ungeklärt ist nach wie vor nach welchen Gesichtspunkten die zustehenden Plätze der „Anderen“ verteilt werden. Falls nicht genug „Andere“ kandidieren, werden dann die Plätze von Frauen oder Männern übernommen und nach welchen Gesichtspunkten. Führt dies dazu das es im Interesse von Frauen und Männer sein kann das kein „Anderer“ kandidiert oder ggf. daran gehindert wird zu kandidieren damit Plätze frei werden.


Großer Wert wird auf die Nicht-Erfassung der Geschlechtszugehörigkeit gelegt. In wieweit dies Geschlechtergerechtigtkeit fördern kann ist unklar und wird nicht erörtert. Ganz sicher wird es aber eine belastbare Evaluation zur Wirksamkeit unmöglich machen. 

In diesem Licht betrachtet kann auch der im Punkt 6 dieses Antrages gesehen werden. Einen Beleg für einen wie auch immer vermuteten positiven Effekt zur Geschlechtergleichheit kann ich nicht finden. Die Verfasser dieses Antrages bleiben diesen schuldig. Er spiegelt sich auch in der Realität nicht wieder. Ich persönlich sehe in dem Umstand das sich nur ca. 8,7 % der Mitgliederinnen* der Piratenpartei sich als "nicht männlich" bezeichnen würden einen klaren Beleg für die negativen Auswirkungen dieser Interpretation.

*wer bessere Zahlen hat der werfe den ersten Stein oder teilt sie mir mit.

Den Hinweis auf „Versachlichung“ eingeleitet durch „Im Übrigen…“ verstehe ich als Hinweis der Autoren das sie dies durch diesen Antrag gemacht haben wollen. Die Prämisse sachlich = richtig die dadurch evtl. postuliert werden soll, teile ich zwar nicht in vollem Umfang aber gerade dieser Antrag unterlässt es nicht nur sachliche Fakten aus der Lebenswirklichkeit einzubeziehen er ignoriert sie schlicht und einfach. Er bleibt deswegen hinter dem Möglichen zurück bzw. und wird den Anforderungen nicht gerecht.

Signalwirkung im politischen Sinne nach Innen oder Außen fehlt völlig. Und trägt damit bei das die Piratenpartei nur vorgeben kann "Partei, die sich für Geschlechtergerechtigkeit aller Menschen einsetzt" zu sein, wie in Punkt 5 ohne Beleg behauptet wird.

Fazit:

In meinen Augen undurchdacht, weitgehend wirkungslos was die postulierten Effekte zur GleichstelIung der Geschlechter betrifft, fehlender Bezug zur Realität und in einigen Aspekten sogar gefährlich führt dieses Konzept mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Verschlimmerung der Situation. 

Ich bin mir Sicher dass die Verfasser dieses Antrages das nicht im Sinn haben.


@netzhocker

Quellen:

http://www.gem-esf-bw.de/htm/glossar/09_glossar-03-7.html

http://de.wikipedia.org/wiki/Gleichstellung